Seit 2008 braut Günther Baumann in der Richelstraße 26 in München sein „Richelbräu“. Damit gehört er zu den 101 Haus- und Hobbybrauern, die beim Münchner Hauptzollamt gemeldet sind. Im Interview gibt er Auskunft über das schönste Hobby der Welt, die Verbindung von Bier, Politik und Erotik und warum Hausbrauen einen Anti-Globalisierungseffekt hat.
Wie sind Sie zum Bierbrauen gekommen?
Ich bin relativ spät auf den Geschmack gekommen. Mein Vater war Braumeister in der Freiherr von Rotenhan’sche Brauerei im Frankenland, und ich bin praktisch mit dem Geruch von Hopfen und Malz groß geworden. Ab Mitte 20 hab ich dann langsam Gefallen am Bier gefunden. Bis zur Eröffnung der 1. Haus- und Hobbybrauerei in München-Neuhausen sind dann noch mal 25 Jahre vergangen. Noch dürfen wir kein Bier verkaufen, sondern nur zur „Verkostung“ anbieten. Wir betreiben das „Richelbräu“ als Hobbybrauerei, allerdings mit sehr professionellem Anspruch. Wir haben viel Zeit dafür verwendet, die Qualität und die Vielfalt der verschiedenen Biersorten stetig zu verbessern.
Was ist das Besondere am Handwerk des Brauens?
Bierbrauen ist eine Art ganzheitliches Lebensgefühl. Es bringt Ruhe, Gelassenheit und für mich einen Ausgleich zu meiner geistigen Tätigkeit, die als Historiker und Sozialwissenschaftler viel mit Lesen und Schreiben zu tun hat. Es ist keine schwere körperliche Arbeit, die Maschinen erledigen das Meiste. Das Hantieren mit Naturstoffen, das Wiegen und Messen, das Probieren und das Um- und Abfüllen gibt mir eine innere Zufriedenheit, führt mich weg vom Alltagsstress, hinein in das Gefühl, die Früchte der Arbeit auch körperlich genießen zu können.
Braukultur soll ihrer Meinung nach mehr sein als die industrialisierte und globalisierte Welt des Bieres. Was meinen sie damit?
Die Münchner Haus- und Hobbybrauerszene sieht sich als Gegenbewegung zur Globalisierung der Bierindustrie. Unsere Bierproduktion ist vielleicht nicht die wirtschaftlichste und für manchen Privatbrauer sogar ein Verlustgeschäft, aber wir sind nun mal Idealisten. Wir haben Angst, dass durch die Monopolisierung und Konzentration auf wenige Global Player die Vielfalt der Biere verloren geht und irgendwann nur noch ein Einheitsbier übrigbleibt, das nach nichts mehr schmeckt. Wir stehen für die Vielfalt, die Experimentierfreude und den Überraschungsmoment, wenn am Ende des Bierbrauertages eine neue Biersorte geboren wird.
Wann hat die Globalisierung im Brauereiwesen angefangen?
Die Globalisierung im Brauereiwesen begann schon Anfang des 20. Jahrhunderts. Mein Vater hat in den 60er Jahren durch den Verkauf der Freiherr von Rotenhan’schen Brauerei an einen größeren Konzern seinen Job verloren und ist zwei Jahre später an einem Herzinfarkt gestorben. Mein Kampf gegen die noch längst nicht abgeschlossene Konzentration auf dem Biermarkt hat also auch persönliche Gründe.
Eine andere Zahl, die die zunehmende Globalisierung auf dem Biermarkt verdeutlicht: Im 19. Jahrhundert gab es in und um München 60 bis 70 Brauereien, Anfang des 20. Jahrhunderts zehn bis zwölf, heute brauen noch sechs kommerzielle Brauerein in München.
Was hat Bier mit Politik und Erotik zu tun?
Bier und Politik? Als erstes fällt mir da das Oktoberfest ein. Es gibt noch jede Menge anderer Veranstaltungen, wo zumindest Bier und Politik eine Rolle spielen. Man denke nur an den politischen Aschermittwoch, die Starkbierprobe am Nockherberg oder der Gillamoos, einer der ältesten Jahrmärkte in Bayern, bekannt für markige Reden prominenter deutscher Politiker. Darüber hinaus gab es die Bierrevolution, Streit um die Biersteuer und den sogenannten Bierkrieg in Dorfen, als wegen einer Bierpreiserhöhung aufgebrachte Dorfbewohner dem Wirt das Wirtshaus anzündeten.
Zum Thema Bier und Erotik: Ob Bier die erotischen Gefühle steigert, ist bis jetzt noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen worden. Dem Hopfen wird eine beruhigende, der Hefe eine schönheitssteigernde Wirkung nachgesagt. Erotik spielt in der Bierwerbung eine entscheidende Rolle. Es werden Hopfen- und Bierköniginnen gewählt, zur Wies’n brezeln sich alle in Trachten und Dirndl auf, und das Oktoberfestbier wird so gebraut, dass eine erotisierende Wirkung einsetzen soll.